Die Prinzessin
Sie saß eines Abends auf der Türschwelle, schmutzig und zerkratzt.
Der Junge nahm sie ins Haus und rieb sie mit dem Badetuch trocken. Da kam die Großmutter in die
Küche.
"He, was soll das?" fragte sie böse. "Was hast du uns da ins Haus geschleppt?"
"A-aber, Oma", stotterte der Junge, "bist du blind? Das ist eine vornehme Siamkatze, eine echte
Prinzessin."
"Prinzessin hin, Prinzessin her", murrte die Großmutter. "Jedenfalls kommt das Tier wieder fort."
"Wer kann es einer vornehmen Prinzessin zumuten, sich bei Wind und Wetter ohne Obdach spätabends
auf der Straße herumzutreiben?"
Nach längerem Betteln durfte sie bleiben. Der Junge war darüber sehr glücklich. Er legte die Prinzessin
in ein Katzenkörbchen. Das Tier schnurrte zufrieden, trank süße Milch und wurde dick und rund. Eines
Tages lief die Prinzessin aufgeregt durchs Zimmer und fauchte drohend.
"Was soll das bedeuten? Was fehlt der Prinzessin?" fragte die Großmutter ihren Enkel ahnungslos.
"Begreifst du denn gar nicht, Oma?" seufzte der Junge. Dann mußte er die Wahrheit sagen: "Die
Prinzessin hat heute Junge bekommen!"
"Kätzchen?" staunte die Oma. Dann war sie auch schon beim Körbchen, um einen Blick hineinzuwerfen.
Da lagen sechs scheckige kleine Knäuel.
"Sie sind gar nicht so schön, so blau und scheckig", äußerte der Junge.
"Das ist der Dank dafür, dsaß sie hier im Haus bleiben durfte. Das hat man von seiner Gutmütigkeit!" fauchte
die Oma ärgerlich. Und auch die Prinzessin fauchte, denn sie dachte, daß man ihren Kindern etwas
zuleide tun wollte. Die Oma fing an zu lachen und schon bald beruhigten sich die Großmutter und die
Prinzessin. Ihr Ärger war bald vergessen. Sie merkte wie sehr ihr Enkel an den kleinen Kätzchen hing und
bot ihm an, eins von sieben behalten zu dürfen. Der Junge dankte seiner Oma und kümmerte sich sorgvoll
um die Kleinen, bis sie das Haus endgültig verließen.
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