Der seltsame VogelFern im Süden gab es mal eine Stadt. In ihren Mauern lebten viele Menschen. Die Händler machten ihre Geschäfte, die Soldaten maschierten und sangen, die Handwerker werkelten, und die Räuber räuberten. Eines Tages gab es Krieg im Land. Er brachte Not und Elend. Es dauerte nicht lange, und die Stadt war von feindlichen Soldaten überrannt. Als sie die Stadt wieder verließen, gab es nichts mehr zu beißen. Die Menschen mußten hungern, und mit dem Hunger kam die Pest. Die Seuche wütete schlimmer als die Krieger. Bald war die Hälfte aller Einwohner von dieser Krankheit befallen und starben nach und nach. Nur eine alte Frau blieb von der Pest verschont. Man nannte sie Mutter Ana. Sie war schon sehr alt, daß es fast schien, als hätte der Tod sie vergessen. Aber auch sie wollte schier am Leben verzweifeln. In all dem Elend ringsumher hatte auch sie keinen Mut mehr, gegen das Schicksal anzukämpfen. Ihr einziger Beisitz war ein seltsamer Vogel, der in einem Eisenkäfig in ihrem Zimmer saß. Ein fremder Seemann hatte ihm einst aus der Ferne mitgebracht. Da die alte Frau keinen Menschen hatte, mit dem sie reden konnte, unterhielt sie sich oft stundenlang
mit dem Vogel. Aber niemals hatte er ihr eine Antwort gegeben. Das Tier blieb immer stumm.
Als aber die Alte nun in ihrem Leid so hin und her sann, piepste der Vogel plötzlich: "Du mußt! Du mußt!" Heute hat die Stadt dreimal soviele Einwohner wie vor der Pest, und die Stadtmauern sind um mehr als das Doppelte gewachsen. Sie hat auch einen neuen Namen bekommen. In ihrem Wappen aber führt sie einen seltsamen Vogel auf goldenem Grund. Er soll an die schlimme Zeit und der Rettung erinnern. Die Einwohner sind stolz auf ihr Wappentier. Die hilfreiche Mutter Ana aber, die bald nach diesen Ereignissen starb, wird als Schutzpatronin der Stadt wie eine Heilige verehrt. |