Aschenputtel

In einem großen Königreich lebte einmal ein reicher Kaufmann mit seiner Frau. Sie hatten ein kleines Töchterchen, das sie sehr liebten. Der Vater war leider sehr viel auf Reisen. Tagsüber spielte das kleine Mädchen mit ihrem Hund im Garten, und die Mutter saß auf der Veranda und las. Eines Tages starb die Mutter ganz plötzlich und Vater und Tochter blieben allein zurück. Der Vater beschloß wieder zu heiraten. Er dachte, daß seine Tochter eine Mutter bräuchte und vielleicht auch Geschwister, damit sie nicht immer so alleine wäre. Das Mädchen fühlte sich zwar nicht einsam, denn sie hatte ja einen Spielgefährten, aber ihre Mutter vermißte sie sehr.

Schließlich fand der Vater eine Witwe, die zwei Töchter mit in die Ehe brachte. Am Anfang war sie sehr nett, aber als der Vater wieder einmal auf eine lange Reise ging, zeigte sie ihr wahres Gesicht. "Wozu brauchst du allein so ein schönes Zimmer?" fragte sie das Mädchen. Dann befahl sie ihr: "Du kannst auch in der Dachkammer schlafen!" Und schon zogen ihre Stiefschwestern ihr Zimmer mit dem großen Himmelbett, dass sie so liebte. Den ganzen Tag fand die Stiefmutter neue Arbeiten für das arme Mädchen: Putzen, waschen und fegen und obendrein auch noch ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwestern bedienen.

Den ganzen Tag arbeitete sie hart, während die Stiefmutter neben ihr stand und aufpaßte, dass sie ja nicht trödelte. Abends, bevor sie dann in ihre kalte, zugige Dachkammer ging, setzte sie sich mit ihrem treuen Hund an den Kamin und wärmte ihre Füße an der Asche Das machte nun auch nichts mehr, denn von der ganzen groben Arbeit hatte sie ohnehin verschmutzte Kleider, und ihre Hände wurden schwarz und rissig. Immer hatte sie etwas Asche im Gesicht oder an den Händen. Ihre Stiefschwestern fingen an, sie zu hänseln und nannten sie von jetzt an Aschenputtel. Das arme Aschenputtel hatte nicht mehr viel Freude am Leben.

Ihr Vater merkte von alledem nicht, und wenn er sich doch einmal wunderte, warum sein Töchterchen nicht mehr spielte, so jammerte die böse Stiefmutter schnell über die viele Arbeit, die sie im Haus hätten. Dabei war es Aschenputtel, die schon im Morgengrauen vor den anderen aufstand, um Feuer für das Frühstück zu machen. Dann ging sie hinauf in das Zimmer, das früher ihr gehört hatte und weckte ihre Schwestern, die jetzt in dem großen, weichen Bett schliefen. Ihre Stiefmutter verlangte auch, dass sie ihnen allen das Frühstück ans Bett brachte, was Aschenputtel brav tat.

So gingen die Tage ins Land und das arme Aschenputtel war einsamer als je zuvor. Nur ihr Hund, der inzwischen schon alt geworden war, folgte ihr überall hin. Die Zeit verging und Aschenputtel war zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen. Sie wurde ihrer Mutter immer ähnlicher.

 

In dem Königreich, in dem Aschenputtel mit ihrer Familie wohnte, gab es natürlich auch einen König. Sein Sohn, der Prinz, liebte es, mit seinen Freunden auf die Jagd zu gehen, um so das ganze Königreich, das er einmal erben würde, kennenzulernen. Dabei kam er zuweilen auch in die Nähe des Hauses, in dem Aschenputtel wohnte, aber er beachtete es natürlich nicht weiter.

Sein Vater, der alte König, stand derweil kopfschüttelnd im Thronsaal des Schlosses. Der Hofmarschall fragte bestürzt: "Worüber macht ihr Euch Sorgen?" Nachdenklich und mit traurigem Gesicht betrachtete der König die Büste seines Sohnes, die im Thronsaal stand. "Immer geht er auf die Jagd mit seinen Freunden. Dabei soll er doch einmal an meine Stelle treten. Wenn er nicht bald die richtige Frau findet, dann..." seufzte er. "Verlieren Sie nicht den Mut, Majestät", sagte der Hofmarschall, "ich habe schon eine Idee..." Er nahm den König am Arm und flüsterte ihm ins Ohr: "Wir geben einen großen Hofball, zu dem wir alle edlen Fräuleins des Landes einladen. Da muß er doch eine Braut finden!"

Von dieser Idee war der alte König ganz begeistert. Schnell befahl er seinen Hofschreiber zu sich, der die ganzen Einladungen schreiben mußte. Er sandte den Boten aus, der die Einladungen bis in den letzten Winkel des Reiches tragen sollte.

Eines Tages klopfte er auch an die Tür des Hauses, in dem Aschenputtel lebte. Sie machte auf und vor Aschenputtel stand ein Bote des Königs. Hochnäsig sagte er zu ihr: "Gib diesen Brief sofort deiner Herrin. Er ist vom König!" Das beeindruckte Aschenputtel sehr. "Vom König? Was steht den in dem Brief?" fragte sie neugierig. Aber der Bote erwiderte nur unfreundlich: "Das geht eine Dienstmagd überhaupt nichts an!" und ging fort.

So weit war es also gekommen, jetzt hielt der Bote des Königs Aschenputtel für eine Dienstmagd! Aschenputtel ging schweren Herzens zu ihrer Stiefmutter und übergab ihr den Brief. "Vom König!" rief diese erstaunt und fühlte sich sehr geschmeichelt. Als die Schwestern das hörten, kamen sie gleich angelaufen, um zu erfahren, was in dem Brief stand. Die Stiefmutter setzte sich in einen Sessel und las vor. Aber bevor sie begann, schrie sie Aschenputtel, die neugierig stehengeblieben war an: "Hast du nichts zu tun?" So konnte das arme Mädchen nur von draußen hören, was die Stiefmutter vorlas: "Wenn die Rosen im Schloßgarten blühen, wird ein großer Ball im Schloß gegeben. Dazu sind alle Edelfräuleins eingeladen." "Juhu!" jauchzten die Schwestern begeistert. Aschenputtel wurde traurig. Sie wußte, dass ihre Stiefmutter sie niemals mitgehen lassen würde.

Und so war es auch.

Als der Vater sich auf den Weg in die Stadt machte, um Stoffe für die Ballkleider der Stiefschwestern zu besorgen, dachte er gar nicht daran, dass Aschenputtel auch gerne auf den Ball gegangen wäre. "Was soll ich dir mitbringen?" fragte ihr Vater, als er bei seiner Abreise Aschenputtel vor dem Haus traf. "Bring' mir den ersten Zweig, den du auf deinem Heimweg findest", erwiderte Aschenputtel bescheiden. "Hast du denn keinen besonderen Wunsch?" fragte der Vater noch einmal. "Ach Vater, wenn du wüßtest." Sie wollte ihm keinen Kummer machen, deshalb erzählte sie ihm nichts von ihrem Leid.

Inzwischen begannen die Schwestern schon zu planen, was sie wohl auf dem Fest anziehen würden. Sie malten sich die schönsten Kleider aus, die Aschenputtel dann für sie nähen müßte. Sie träumten von dem rauschenden Ball und dem wunderschönen Prinzen. Insgeheim sah sich jede schon als Königin und stellte sich vor, wie es wäre, in dem großen Schloß mit den vielen schönen Kleidern und den vielen Bediensteten zu leben. Während Aschenputtel weiter arbeitete, als wäre nichts geschehen, träumten die Schwestern nur noch und taten den lieben langen Tag überhaupt nichts mehr.

Schon bald probierten die Schwestern Frisuren vor dem Spiegel aus. Jeden Tag hatten sie eine neue Idee, wie sie sich noch schöner machen konnten, und so verbrachten sie die meiste Zeit vor dem Spiegel. Inzwischen waren die beiden eifersüchtig aufeinander geworden, und immer, wenn die eine meinte, die andere hätte die schönere Frisur, wollte sie auch eine andere haben. Ratet mal, wer nun auch noch, neben der Hausarbeit, die beiden Schwestern frisieren durfte? Das war natürlich Aschenputtel, die geduldig immer wieder von vorne anfing, bis die Schwestern endlich zufrieden waren.

Traurig war sie schon, dass es für sie keinen Ball geben würde, aber sie wagte es nicht, die Stiefmutter zu fragen. Aschenputtels Vater war inzwischen in der Stadt gewesen und hatte teuere und edle Stoffe für die Kleider der Stiefschwestern gekauft. Als er sich wieder auf den Heimweg machte, erinnerte er sich daran, dass er für Aschenputtel noch gar nichts hatte. Nachdenklich ritt er auf seinem Pferd durch den Wald. Da fiel ihm auf einmal ein Zweig mit drei reifen Haselnüssen auf. Die Sonne schien gerade auf die Nüsse, als wären sie etwas Besonderes. Also brach der Vater den Zweig mit den Nüssen ab und steckte ihn in seine Satteltasche.

Dort angekommen, liefen ihm seine beiden Stieftöchter schon aufgeregt und freudig entgegen. Sie hingen an seinen Armen, als er ins Haus kam und konnten es gar nicht erwarten, bis der Vater endlich die Stoffe ausgepackt hatte. Dann strahlten sie vor Freude und rannten mit den Stoffbahnen durchs Haus. Vor dem nächsten Spiegel bewunderten sie sich ausgiebig und begannen sich die Kleider auszumalen, die ihnen Aschenputtel nähen sollte. Nachdem Aschenputtel mit ihrer täglichen Hausarbeit fertig geworden war, wartete sie geduldig ab, was ihr Vater wohl für sie mitgebracht hatte. Vorsichtig zog erden Zweig mit den Haselnüssen heraus und überreichte ihn Aschenputtel. Da freute es sich, denn so glänzend braune Haselnüsse hatte sie noch nie gesehen.

In wenigen Tagen mußten nun die zwei Ballkleider für die Schwestern genäht werden. Borten und Rüschen wollten sie haben und jedesmal wenn Aschenputtel mit dem Nähen fertig war, waren die Schwestern unzufrieden.

Endlich kam der große Tag. Die Schwestern waren dabei sich hübsch zu machen. Sie zogen ihre Kleider an und baten ihre Mutter, das Korsett so eng wie möglich zu schnüren, damit sie dünner aussehen würden. Kein Schmerz war ihnen zu viel, und so waren schon einige Korsettbänder zerrissen, bis endlich jede ihr Kleid an hatte und zur Abfahrt fertig war. An Aschenputtel hatte niemand gedacht. Sie trug wie immer ihren schmutzigen Kittel. Aber trotzdem war sie schöner als ihr bösen Schwestern.

Sie ging in ihre Kammer und weinte ein wenig. Wie gerne wäre sie auch auf den Ball gegangen! Entschlossen nahm sie ihren Mut zusammen und fragte ihre Stiefmutter, ob sie nicht doch auf den Ball gehen dürfte. Da lachte die Stiefmutter boshaft: "So wie du aussiehst? Du hast ja kein Ballkleid und tanzen kannst du auch nicht!" Als sie sah, wie traurig Aschenputtel darüber war, fügte sie hinzu: "Du kannst mitkommen, wenn du mit dem Erbsen zählen fertig bist!" Aber insgeheim dachte sich die böse Frau: "Das schafft sie niemals bis zur Abfahrt." Aschenputtel schöpfte neue Hoffnung und machte sich schnell an die Arbeit. Aber immer wenn sie mit der Arbeit fertig war, hatte die Stiefmutter schon wieder eine neue für sie. So kam es, dass sie, als die Schwestern sich auf den Weg zum Schloß machten, immer noch in ihrem schmutzigen Kittel dastand und den beiden traurig nach sehen mußte. Ihre Schwestern machten sich auch noch lustig über sie. Jetzt war Aschenputtel zwar mit ihrer Arbeit fertig, aber sie hatte ja kein Kleid, mit dem sie auf den Ball hätte gehen können. Das einzige Gewand, das sie außer ihrem Kittel besaß, war ein altes Kleid ihrer Mutter. Aber das konnte sie nicht auf den Ball anziehen.

Traurig ging sie in den Garten hinaus. Sie stieg die Stufen zur Veranda hinauf und setzte sich seufzend in den Lieblingssessel ihrer Mutter. Ihr Hund hochte sich neben sie, und als er bemerkte, wie traurig sie war, stupste er sie mit seiner feuchten Schnauze an Aber das konnte Aschenputtel heute auch nicht trösten. "Ach, wenn meine Mutter noch leben würde", seufzte sie und weinte.

Plötzlich hörte sie neben ich ein Geräusch. Erst dachte sie, sie hätte sich getäuscht, aber auf einmal hörte sie jemand ihren Namen rufen. Sie drehte sich überrascht um und traute ihren Augen kaum. Vor ihr stand eine gute Fee, so wie sie Aschenputtel nur aus dem Märchen kannte.

Sanft stricht sie Aschenputtel übers Haar und meinte: "Weine nicht, Aschenputtel. Du wirst heute Nacht auf den Ball gehen!" Ungläubig starrte Aschenputtel die Fee an. "Aber ich habe doch gar kein Kleid, mit dem ich auf das Fest gehen könnte. Selbst wenn ich eines hätte, die Kutsche mit meinen Schwestern ist schon lange weg!" Wider begann Aschenputtel zu weinen. Aber die Fee lachte nur leise. "Das laß mich nur machen. Jetzt lauf hinters Haus und hole mir den schönsten Kürbis, den du finden kannst. Lauf schnell, rasch, beeile dich!" Aschenputtel sprang auf und rannte hinter das Haus. Da hörte sie die Fee noch rufen: "Und bring' mir auch den Mäusekäfig aus der Küche mit!" Das wunderte Aschenputtel zwar sehr, aber sie tat, was die Fee ihr sagte.

Ganz leise schlicht sich Aschenputtel mit dem Kürbis und dem Mäusekäfig wieder in den Garten. Die Fee lächelte zufrieden. "Erst einmal die Kutsche!" rief sie und schwang ihren Zauberstab. Da verwandelte sich vor Aschenputtels Augen der Kürbis in eine edle Kutsche und dazu die Mäuse aus dem Käfig in prächtige Pferde und Lakaien.

Vor Aschenputtel stand tatsächlich eine königliche Kutsche mit vier Pferden und Lakaien, die sie freundlich einluden, in der Kutsche Platz zu nehmen. Aschenputtel machte gerade den ersten Schritt auf die Kutsche zu, da blickte sie an sich herunter und entdeckte, dass sie immer noch den schmutzigen Kittel trug. Sie drehte sich zur Fee um und schaute sie traurig an. "Ach, das hätte ich ja fast vergessen!" rief die Fee, und ein letztes Mal zauberte sie. Schon stand Aschenputtel in einem schönen Ballkleid da. "Jetzt lauf!" sagte die Fee, "aber denk daran, sei vor Mitternacht zurück, denn dann ist der ganze Zauber vorbei", und schon war die Fee verschwunden.

Aschenputtel stieg überglücklich in ihre Kutsche, ließ sich zum Schloß fahren und schlich sich leise zum Ballsaal, denn sie dachte, das Fest hätte schon angefangen. Aber als sie den Saal betrat, tanzte noch niemand. Der Prinz hatte noch kein Mädchen gefunden, mit dem er den Eröffnungstanz gerne getanzt hätte. Sein Vater, der König, wurde schon langsam ärgerlich.

Als Aschenputtel hereinkam, da leuchteten die Augen des Prinzen auf. Strahlend lief er auf sie zu und begann mit ihr zu tanzen. Endlich war der Ball eröffnet. Jetzt konnten die anderen endlich auch mit dem Tanz beginnen.

Jedesmal, wenn die Kapelle ein neues Stück spielte, hofften die beiden Stiefschwestern, der Prinz möge sie auch einmal zum Tanze bitten. Aber der Prinz hatte nur Augen für sein Aschenputtel, das nun gar nicht mehr aussah, wie eine Dienstmagd. Die feinen Damen der Gesellschaft, der Hofmarschall, der König und die Freunde des Prinzen standen herum und rätselten, wer dieses schöne Mädchen denn sein könnte. Schließlich glaubten alle, sie wäre vielleicht eine ausländische Prinzessin. So schön war sie und so vornehm gekleidet. Immer wieder tanzte Aschenputtel mit dem Prinzen, bis es fast Mitternacht war.

Rasch verabschiedete sie sich und lief in die Vorhalle. Dort sah sie ihre Schwestern auf einem Sofa sitzen. Niemand tanzte oder unterhielt sich mit ihnen. Als Aschenputtel sie so alleine sah, hatte sie Mitleid mit ihnen. "Vielleicht steckt in ihnen ja ein guter Kern", dachte sie sich und lächelte ihnen zu. Dann nahm sie den Blumenschmuck aus ihrem Haar. Es war eine wunderschöne rosa Orchidee, die gute Fee dort hingezaubert hatte. Sie ging zu ihren Schwestern hinüber und überreichte ihnen die Blume mit einem Lächeln. "Was für eine schöne Prinzessin!" dachten die Schwestern und sahen ihr neidisch nach, als Aschenputtel hinauslief.

Draußen machte sich Aschenputtel in Windeseile auf den Weg nach Hause. Sie rannte die Schloßtreppe hinunter, und gerade, als sie unten ankam, hörte sie es vom nahen Kirchturm Mitternacht schlagen. Als erstes verwandelte sich die Kutsche zurück in einen Kürbis, dann verschwanden die Lakaien und die Pferde. So sah der Wachposten unten an der Treppe nur die davon huschenden Mäuse. Als Aschenputtel an ihm vorbei lief, hatte sich ihr wunderschönes Ballkleid wieder in den alten Kittel verwandelt. Der Wachposten dachte wohl, sie sei eine Küchenmagd und sagte nichts, als sie im Dunkeln verschwand.

Zu Hause angekommen, legte sie sich auf ihr Lager in der Dachkammer und wartete auf ihre Schwestern. Endlich klopfte es an der Tür, und ihre Schwestern kamen nach Hause. Sie sahen gar nicht glücklich aus und sprachen immer noch über die schöne fremde Prinzessin, die auf dem Ball erschienen war. Aschenputtel tat so, als wüßte sie nicht, von wem sie redeten. Sie rieb sich müde die Augen, als hätte sie tatsächlich geschlafen. Schnell half sie ihren Schwestern beim Auskleiden. Dann wünschte sie ihnen freundlich "Gute Nacht!" und ging wieder in ihre Dachkammer hinauf. Glücklich wie nie zuvor legte sie sich schlafen und träumte die ganze Nacht von dem schönen Prinzen.

Am Königshof sprachen alle nur noch von der schönen, fremden Prinzessin, die auf dem Ball erschienen war. Niemand kannte sie, niemand wußte, wo sie hergekommen war. Der Prinz konnte sie einfach nicht vergessen, aber jeder, den er fragte, schüttelte nur den Kopf und sagte, er hätte sie noch nie zuvor gesehen. Da ließ der König bekannt geben, dass die fremde Prinzessin wieder erscheinen würde. Am Abend, als der Ball stattfand, steigen die Schwestern wieder in die Kutsche und ließen sich zum Schloß fahren. Aschenputtel blieb traurig zurück, dann holte sie ihre noch immer glänzenden Haselnüsse und ging in den Garten hinaus. Bei der Veranda angekommen, spielte sie gedankenverloren mit ihren Haselnüssen und weinte. Aber sie war nicht allein. Die gute Fee stand versteckt hinter einem Baum und schwang ihren Zauberstab. Da verwandelten sich auf einmal die Nüsse.

Aus der ersten wurde die Kutsche, aus der zweiten die Pferde und Lakaien und die dritte hüllte Aschenputtel in ein noch schöneres Kleid, als sie beim ersten Ball an hatte. Rasch sprang Aschenputtel in die Kutsche und ließ sich zum Schloß fahren. Dort hatte sich der kluge Prinz eine List ausgedacht. Damit ihm seine schöne Prinzessin nicht wieder davonlaufen konnte, hatte er seine Diener beauftragt, die Schloßtreppe mit Pech zu bestreichen, sobald alle Gäste im Schloß waren. Er hoffte, dass die Prinzessin auf dem Pech kleben bleiben würde, und nicht weglaufen könnte. Endlich erschien Aschenputtel auf dem Ball. Wieder war sie die Schönste im Saal, und wieder tanzte der Prinz den ganzen Abend nur mit ihr.

Kurz bevor es Mitternacht schlug, machte Aschenputtel sich rasch von dem Prinzen los und eilte hinaus. Der Prinz wollte sie festhalten, aber Aschenputtel lief so schnell, wie sie nur konnte die Treppen hinunter. Dabei verlor sie ihren Schuh, der in dem klebrigen Pech hängenblieb. Ohne sich umzudrehen oder gar stehenzubleiben, lief Aschenputtel mit einem Schuh weiter. Der Prinz, der gerade herausgekommen war, sah sie nur noch die letzten Stufen hinunterspringen und um die Ecke verschwinden. Traurig sah er ihr nach. Dann entdeckte er auf der Treppe den gläsernen Schuh. Schnell zog er ihn aus dem Pech und drückte ihn an sich. Jetzt brauchte er nur noch nach dem Mädchen zu suchen, dem der Schuh paßte.

Und wirklich, schon am nächsten Tag machten sich der Prinz und sein Hofmarschall auf den Weg. An jedem Haus, in dem ein junges Mädchen wohnte, klopften sie an. Sie baten die Mädchen den Schuh anzuziehen. Aber keine hatte so zarte Füße wie das Aschenputtel, keine paßte der Schuh. Schließlich hatten sie alle Häuser des Königreiches besucht, bis auf das, in dem Aschenputtel wohnte. Als der Prinz auch hier klopfte, holte die Stiefmutter ihre beiden Töchter. Aber sie hatten beide viel zu große und häßliche Füße, und der Schuh paßte ihnen nicht. Der Prinz war verzweifelt. "Habt Ihr nicht noch eine Tochter?" fragte er. "Nur das Aschenputtel", erwiderte die Stiefmutter. "Dann hol sie!" rief der Prinz ungeduldig. Sie war das einzige Mädchen im ganzen Königreich, das den Schuh noch nicht anprobiert hatte. Schüchtern kam Aschenputtel herein. Jetzt sah sie gar nicht mehr wie eine Prinzessin aus. Der Prinz nahm den gläsernen Schuh aus der Schatulle, kniete sich vor sie hin und hielt ihr den Schuh an den Fuß. Aschenputtel schlüpfte hinein - und siehe da! Der Schuh paßte.

Lächelnd nahm sie den zweiten Schuh aus ihrer Schürzentasche und zog ihn ebenfalls an. Dann erhob sie sich und blickte den Prinzen strahlend an. "Du bist es, nach der ich gesucht habe! Du bist meine Prinzessin!" rief der Prinz überglücklich und nahm sie in die Arme. "Jetzt läufst du mir nicht mehr davon!" Kaum hatte der Prinz das gesagt, da verwandelte sich der schmutzige Kittel wieder in das schöne Kleid, das sie auf dem letzten Ball getragen hatte.

Da machten die Stiefmutter und die beiden Schwestern aber Augen. Voller Erstaunen blickten sie zu Aschenputtel, und sie erkannten in ihr die fremde Prinzessin wieder. Beschämt erinnerten sie sich daran, wie freundlich sie zu ihnen gewesen war. "Nimm uns mit!" baten sie. "Wir werden uns auch bessern!" Aschenputtel hatte ein gutes Herz, und so versprach sie ihnen, dass sie, wenn sie erst Königin sei, zu ihr kommen dürften. Dann setzte der Prinz seine Prinzessin auf sein Pferd und ritt mit ihr Heim in sein Schloß.

Die Hochzeit war ein rauschendes Fest, und alle lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.

 
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