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Weihnachtsgeschichten

Der kleinste Tannenbaum

Der Mann, der immer zu spät kam, dachte auch zu spät an Weihnachten. Als er nämlich in die Stadt fuhr, um für sich, seine Frau und seine Kinder einen Tannenbaum zu kaufen, waren alle, fast alle Tannenbäume ausverkauft. Nur einen ganz winzigen fand er noch und kaufte ihn.

Das Bäumchen steckte in einem Blumentopf. Bei genauerem Hinsehen merkte der Mann, der immer zu spät kam, daß es gar kein Baum war, sondern Äste, die mit Draht so zusammengebunden waren, daß sie wie ein kleiner Baum aussahen.

Auch die Wachskerzen waren nur mit Draht an den Ästen festgebunden.

Der Mann setzte sich auf die nächste Bank und überlegte hin und her: »Ist das nun ein Tannenbaum oder nicht?«

Je dunkler es wurde, desto eher sah das Gebilde im Blumentopf wirklich wie ein Tannenbaum aus. Da beschloß der Mann, nach Hause zu fahren.

Er kam zum Parkhaus, in dem er seinen Wagen abgestellt hatte. Die große schwere Eisentür des Parkhauses aber war fest verschlossen. Alles war dunkel, kein Mensch zu sehen.

Der Mann, der immer zu spät kam, war auch diesmal zu spät gekommen.

Er klopfte wie wild an die dicke Tür. Sein Klopfen hallte im Innern wider. Nach einiger Zeit - er gab das Klopfen nicht auf- hörte er Schritte, die näher kamen.

»Wir haben uns doch erst in einer halben Stunde verabredet. Du bist zu früh. Geh noch ein bißchen spazieren.«

»Du bist zu früh. du bist zu früh, du bist zu früh« - das hatte er noch nie gehört, und wer hatte das gesagt? Der Mann, der immer zu spät kam, zerbrach sich den Kopf, was dies alles zu bedeuten hätte. Er freute sich, daß er zu früh war. Er wollte eine halbe Stunde warten.

Aber die halbe Stunde schien ihm wie eine Ewigkeit. Immer schaute er auf den Kirchturm - die halbe Stunde wollte nicht vergehen. Immer noch war es zu früh für den Mann, der immer zu spät kam.

Endlich öffnete sich die eiserne Tür einen Spalt weit. Ein bärtiger verwahrloster Mann blickte ihn mit entsetzten Augen an: »Ja, was willst du denn hier? Ich warte auf einen andern.«

»Und ich möchte mein Auto holen«, entgegnete der Mann, der immer zu spät kam; sein Gesicht war ganz unglücklich dabei. »Ich muß doch nach Hause mit meinem Tannenbaum!«

»Ich lass' dich raus, aber du darfst niemandem verraten, daß ich hier wohne«, antwortete der Bärtige, mit einem mitleidigen Blick auf den Blumentopf-Tannenbaum.«

Zusammen, beim Schein der Taschenlampe, schlichen sie die vielen Windungen des Parkhauses hinunter bis zum kleinen roten Auto des Mannes, der immer zu spät kam. Ganz nahe dabei, zu allerunterst, brannten in einer Nische

ein paar Kerzen an einem kleinen Christbaum, einem richtigen Tannenbaum. Eine alte Matratze mit ein paar Decken, ein alter Koffer lagen daneben.

»Also, fahr schon raus, aber leise und ohne Licht! Und niemand soll von mir erfahren, verstanden?« Das klang fast drohend.

Leise öffnete sich das Eisentor vor dem Mann, der immer zu spät kam, und leise schloß es sich wieder hinter seinem kleinen roten Auto. Kurz darauf schaltete er das Licht ein. Er fuhr so schnell, wie er noch nie gefahren war, und sagte sich: »Vielleicht bin ich jetzt nicht mehr der Mann, der immer zu spät kommt?«

Seine Kinder freuten sich über den Tannenbaum. Sie fanden ihn süß und merkten nicht, daß es gar kein richtiger Baum war. Die kleinen Kerzchen brannten; die Kinder sangen.

Die Frau aber sah plötzlich, daß der Mann, der immer zu spät kam, still vor sich hin lachte. Als das Lied zu Ende war, sagte der Mann leise, aber doch so, daß alle es hörten: »Ich bin jetzt nicht mehr der Mann, der immer zu spät kommt.« . Tatsächlich kam dieser Mann von jetzt an oft zu früh, häufig richtig und selten auch zu spät.

Im nächsten Jahr kaufte er genau eine Woche vor Weihnachten einen Tannenbaum und holte sein kleines rotes Auto früh aus dem Parkhaus. Von dem merkwürdigen bärtigen Mann war nichts zu sehen.

Eine Geschichte von Regine Schindler
Zu finden in dem Buch Weihnachtsgeschichten
von Anne Braun
Lesestufe 8-10 Jahre
ISBN: 3-401-07083-5

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